Albert Camus: "Der Mythos des Sisyphos"


Homer beschreibt das Schicksal des Sisyphos:
Weil dieser sich gegen die Götter aufgelehnt hatte, war er dazu verurteilt, einen schweren Stein einen steilen Hang empor zu rollen. Aber er erreicht den Gipfel nie, weil ihm der Stein immer wieder entgleitet.

Albert Camus beschreibt im „Mythos des Sisyphos“ das menschliche Leben als absurd:
-    Der Mensch strebt nach einem dauerhaft glücklichen Leben. Gleichzeitig wird ihm ständig bewusst, dass dies unmöglich ist.
-    Der Mensch strebt nach immer mehr Wissen über sich und die Welt. Gleichzeitig stellt er immer wieder fest, wie aussichtslos sein Bemühen ist.
-    Der Mensch lebt in einer vernunftwidrigen, gefühllosen Welt, in der seine Wünsche und Bemühungen letztlich vergeblich sind.

So lange das menschliche Bewusstsein und die Welt als Verschiedenheit, als Unterschied, als Widerspruch erscheinen, so lange lebt der Mensch in einer absurden Situation:
    so lange wird Sisyphos das tun, was die Götter verlangen
    so lange wird der herab rollende Stein ihn quälen
    so lange steht der Mensch vor Aufgaben, die er nicht lösen kann
    so lange beherrscht die Welt das menschliche Bewusstsein

Der Mensch kann:
    das Absurde erkennen
    sich selbst und andere anerkennen
    die Unvereinbarkeit zwischen Welt und Bewusstsein akzeptieren
    göttliche oder gesellschaftliche Macht ablehnen und verachten
    sich nicht anpassen, sondern den Widerspruch aushalten
    im Widerstand, in der Revolte leben.

„Erst wenn Sisyphos nicht mehr hoffnungsvoll nach einem Sinn sucht, sondern die Absurdität seiner Situation akzeptiert, wenn er den Stein aus eigenem Antrieb nach oben rollt, hat er keinen Herrn mehr außer sich selbst. Bis zu seinem Tod werden die Mühen seines von ihm selbst bestimmten Schicksals nicht aufhören aber die Welt ist für ihn nicht mehr wertlos, denn es ist seine eigene menschliche Welt.“
„Darin besteht die verborgene Freude des Sisyphos. Sein Schicksal gehört ihm. Sein Fels ist seine Sache.“
„Der absurde Mensch sagt ja, und seine Anstrengung hört nicht mehr auf. Wenn es ein persönliches Geschick gibt, dann gibt es kein übergeordnetes Schicksal oder zumindest nur eines, das er unheilvoll und verachtenswert findet. Darüber hinaus weiß er sich als Herr seiner Tage.“
„Dieses Universum, das nun keinen Herrn mehr kennt, kommt ihm weder unfruchtbar noch wertlos vor. Jeder Gran dieses Steins, jedes mineralische Aufblitzen in diesem in Nacht gehüllten Berg ist eine Welt für sich. Der Kampf gegen Gipfel vermag ein Menschenherz auszufüllen. Wir sollten uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen.“