La Mettrie

Julien Offray de La Mettrie wurde 1709 im bretonischen Saint Marlo geboren. Mit 16 Jahren begann er sein Medizinstudium in Paris. Nachdem er 1733 in Reims promoviert hatte, arbeitete er im niederländischen Leiden bei Herman Boerhaave, der als der führende Mediziner in Europa galt. Er übersetzte dessen Schriften aus dem elitären Lateinischen ins weitverbreitete Französische. 1734 ließ er sich in Saint Marlo als Arzt nieder, heiratete 1739 und wurde im Jahre 1741 Vater einer Tochter. Ab 1742 lebte er in Paris, um dann von 1743 bis 1744 als Militärarzt in Diensten von Louis de Gramont, Duc de Gramont, am Österreichischen Erbfolgekrieg teilzunehmen. 
Weil er zunehmend in polemischen Satiren und kritischen Essays die Ärzte als unfähige Scharlatane bezeichnete, die von Geldsucht und Aberglauben beherrscht waren, zog er ihren Hass auf sich. Als 1746 einige seiner provokativen Schriften per Gerichtsbeschluss verboten und öffentlich verbrannt wurden, floh La Mettrie aus Frankreich in die liberalere niederländische Universitätsstadt Leiden. Aber weil er auch hier weiter gegen den Ärztestand und die Kirche polemisierte, musste er auch von hier fliehen und fand 1748 in Potsdam am Hofe Friedrich II. eine letzte Zuflucht. Hier starb er 1751 an einer (vergifteten?) Leberpastete.

La Mettries Philosophie widersprach der kirchlichen Dogmatik.
Nicht nur sein bekanntestes Werk „Der Mensch als Maschine“ aus dem Jahr 1747, war eine blasphemische Provokation:
-    der Mensch hat ebenso wie das Tier eine Seele
-    der Mensch erhält seine Seele nicht von einer übergeordneten göttlichen Instanz
-    die Seele des Menschen entspringt nicht aus etwas „Übersinnlichem“
-    die Seele des Menschen entsteht allein aus dem menschlichen Körper
-    die Quellen der Seele sind menschliche Naturgebundenheit, menschliches Verhalten, Denken und Fühlen
-    die Unsterblichkeit der Seele ist nur ein theologischer Mythos
-    Materie braucht keinen göttlichen, keinen „unbewegten“ Beweger.

In seinem Hauptwerk „Über das Glück oder das höchste Gut“ ging La Mettrie noch einen Schritt weiter:
-    das höchste Gut für jeden Menschen ist das diesseitige Glück, sowohl für seinen Körper als auch für seine Seele
-    statt auf ein religiöses Glück im Jenseits zu hoffen, kommt es auf das Hier und Jetzt an
-    der Mensch wird nicht mit einer angeborenen Schuld, nicht mit einer „Erbsünde“, geboren
-    religiöser Zwang führt zu Bigotterie und Heuchelei
-    die Seele muss nicht vor einer Hölle gerettet werden
-    Religion ist nicht nötig, weil Moral durch humane Maßstäbe bestimmt werden kann.

Aber La Mettrie brachte nicht nur die Kirche, den Staat und die Ärzte gegen sich auf, sondern seine verbittertsten Gegner, waren die „Aufklärer“ selbst, die Philosophen seiner Zeit, z. B. Voltaire, Diderot, d‘Alembert, Rouseau, Holbach u.a. Für seine aufklärerischen Zeitgenossen, die sich nicht von ihrer göttlichen Befangenheit lösen konnten, war er zu radikal. 
Diderot befürchtete, sein Lebenswerk, die Herausgabe der „Enzyklopädie“, könne gefährdet werden, wenn der Name La Mettrie damit in Berührung käme.
Bei Voltaire kam persönliche Missgunst hinzu, die ihn sogar dazu verleitete einige seiner eigenen Briefe nachträglich zu fälschen, um La Mettrie in ein schlechtes Licht zu rücken (Rache für die "ausgequetschte Apfelsine"; so hatte Friedrich II einmal Voltaire bezeichnet).

La Mettries Philosophie widersprach einer inhumanen Aufklärung:
-    mit beißender Ironie geißelte er den Wahrheitsfanatismus bekannter Aufklärer
-    gegen eine kalte aufklärerische Vernunft setzte er Imagination (Einbildungskraft)
-    er suchte nach einem anderen Verständnis von menschlicher Intelligenz und Vernunft Imagination war für ihn Voraussetzung für Anschauung, Denken oder Erkenntnis
-    er verurteilte philosophische Zeitgenosse, denen er „maschinenmäßig rechnende“ und „blind operierende“ Vernunft vorwarf
-    seine humane Aufklärung sah den Menschen nicht als optimierbare Maschine, sondern als Sinneswesen mit dem Anspruch auf Glück
-    für ihn war Glücksempfinden allen Menschen möglich, also auch Verbrechern
-    er sah Glück auch in sexueller Erfüllung
-    er forderte den genießenden Menschen, der Glück ohne Gewissensbisse empfinden konnte
-    er polemisierte ironisch gegen ein moralisierendes aufklärerisches Verständnis von Gut und Böse. 

La Mettrie passt in keine Schublade als Materialist, Atheist, Agnostiker oder mechanistischer Anthropologe. Sein Werk ist ohne systematisches Ordnungsprinzip. Er blieb immer Skeptiker ohne Anspruch auf absolute Wahrheiten. Die Ironie benutzte er als „maskierte Vernunft“ um mit einem Lächeln die Wahrheit zu sagen („ridendo dicere verum“).
    „Es genügt nicht, dass ein Weiser die Natur und die Wahrheit erforscht; er muss auch den Mut haben, sie zu sagen, zugunsten der kleinen Zahl derer, die denken wollen und können; denn den anderen, die willentlich Sklaven der Vorurteile sind, ist es ebenso unmöglich, zur Wahrheit zu gelangen, wie den Fröschen zu fliegen.“ (L’Homme-Machine)